1.5. Befunde aus der Ganztagsschulforschung
Studien im Rahmen der Ganztagsschulforschung sind nicht nur wissenschaftlich relevant, sondern können auch im praktischen Alltag von Nutzen sein. Sie können als Argumentationsgrundlage zur Gestaltung eines qualitativ hochwertigen Ganztagsangebots dienen und ggf. auch zur politischen Überzeugungsarbeit auf kommunaler Ebene eingesetzt werden. Auch für Prozesse der Konzeptentwicklung oder der Schulentwicklung im Ganztag können Studienergebnisse wertvolle Hinweise liefern.
Während Schulforschung eine konstante Größe darstellt, hat sich die Ganztagsschulforschung seit ihrer Einführung entwickelt. Mit dem Aufkommen der Ganztagsschulen in Deutschland orientierte sich die Forschung an Aspekten der Unterrichtsforschung, ohne jedoch sozialpädagogische Qualitätsvorstellungen miteinzubeziehen (vgl. Sauerwein 2019: 68f.). Die neuere Ganztagsschulforschung, wie am Beispiel der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) zu sehen, orientiert sich jedoch stärker auch am sozialpädagogischen Diskurs zu gutem Ganztag. StEG beispielsweise bezieht die Qualitätsdimensionen Anerkennung, Partizipation und Alltagsorientierung mit ein (vgl. ebd.: 70).
„Sozialpädagogen_innen können sich hierauf berufen, um sozialpädagogisches Handeln in Ganztagsschule selbstbewusst zu vertreten. Darüber hinaus zeigt die Heuristik [methodische Anleitung für Studien zum Ganztag], dass sozialpädagogische Qualitätsdimensionen auch im Unterricht an Bedeutung gewinnen, umgekehrt Sozialpädagogen_innen sich aber auch mit Aspekten der Schul- und Unterrichtsforschung beschäftigen sollten“ (ebd.: 72).
Im Folgenden werden einige ausgewählte Studien kurz vorgestellt (die Verlinkungen zu diesen finden Sie unter D Literatur/Linktipps). Eine Form der Studien im Bereich Ganztagsschule sind sogenannte Dauerbeobachtungsstudien, z.B. die eben genannte StEG, die als länderübergreifendes Forschungsprogramm seit 2005 durchgeführt wird, oder die Bildungsberichterstattung Ganztagsschule NRW (BiGa).
Die BiGa wurde in einem Zeitraum von 2011 bis 2018 insgesamt sechs Mal durchgeführt mit dem Ziel, den „qualitativen Ausbau aller Ganztagsschulen nachhaltig zu unterstützen“ (BiGa NRW). Dabei wurde eine breite Palette an Akteur*innen des Ganztags in NRW befragt (Schulleitungen bzw. Ganztagskoordinator*innen, Vertreter*innen von Trägern der offenen Ganztagsschulen im Primarbereich, Eltern bzw. gewählte Elternvertreter*innen, Lehr- und Fachkräfte, Schüler*innen und kommunale Schulträger). In den unterschiedlichen Erhebungswellen wurden außerdem verschiedene Schwerpunktthemen abgefragt:
• Kooperation von Jugendamt und Ganztagsschule im Bereich erzieherischer Förderung
• Schüler*innen in belastenden Lebenslagen in Ganztagsschulen der Sek. I
• Vielfalt als Herausforderung, Diversity als Chance
• Ganztagsschule und außerschulische Bildungsanbieter
• Integrationskonzepte und -praxis für neu Zugewanderte
• Ganztagsschule und Familie
Tipps für die Lektüre von wissenschaftlichen Studien:
Beim Herantasten an Studien lohnt es, sich zuerst das Abstract zu lesen und sich die gestellten Forschungsfragen oder -hypothesen anzuschauen. Wird daraus ersichtlich, dass die Inhalte der Studie für die eigenen Arbeitskontexte relevant sein könnten, gilt es von da an linear vorzugehen. Der Vorgriff auf die Ergebnisse kann zu falschen Annahmen oder Interpretationen führen. Das bedeutet wiederum nicht, dass umfangreiche Forschungsberichte in Gänze gelesen werden müssen. Es empfiehlt sich an dieser Stelle auf das Prinzip des Querlesens zurückzugreifen, um so einen Überblick über die Inhalte zu erhalten.
Im Rahmen von bspw. Konzeptentwicklung gibt es für spezifischere Themen immer auch die Möglichkeit andere Studien hinzuzuziehen, die nicht zwangsweise im Bereich der Ganztagsschulforschung anzusiedeln sind oder vielleicht aus Bezugswissenschaften stammen. Hier können folgende Aspekte beachtet werden:
Zuerst sollten formale Indikatoren betrachtet werden. Wenn es sich bei dem Publikationsort um renommierte Fachzeitschriften handelt, unterliegen diese meist einem strengen Peer Review, also der Überprüfung durch unabhängige Expert*innen. Das Publikationsjahr ist außerdem wichtig. Bei zu alten Beiträgen besteht die Gefahr, dass diese nicht mehr dem aktuellen Fachdiskurs entsprechen. Die Autor*innen bzw. die herausgebende Institution (fachliche Disziplin, anerkannte Expertise) können darüber hinaus auf die Qualität einer Studie hinweisen. Als Faustregel gilt (unter Vorbehalt) je öfter ein Beitrag zitiert wurde, desto relevanter sind die Ergebnisse (vgl. Döring/Bortz 2016: 20f.). Auch ohne dezidierte inhaltliche Kenntnisse, lassen sich auf diese Weise die Ergebnisse von Studien verwenden und für die Ausgestaltung der praktischen Arbeit nutzen.
Literatur:
- Sauerwein, M. (2019): Qualität in Unterricht und von Angeboten an Ganztagsschulen. In: Sozialmagazin. Jg.44/Heft 1/2. S. 67-73.
- BiGa NRW (o.A.): Zum Hintergrund des Projekts.
Online: https://www.bildungsbericht-ganztag.de/cms/front_content.php?idart=41 (Zugriff: 19.03.2020) - Döring, N./Bortz, J. (2016): Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften, Berlin & Heidelberg: Springer.