Viele konkrete Ausführungen des Ganztags sind in Nordrhein-Westfalen - wie in anderen Ländern auch - nicht in Gesetzen, sondern in Erlassen zu finden. Erlasse können nicht alles klären. Für wesentliche Fragen gibt es einen Gesetzesvorbehalt. Darüber, was „wesentlich" ist, kann man sich streiten. Die Faustregel lautet, dass immer dann eine gesetzliche Regelung erforderlich ist, wenn nachhaltige Eingriffe in die Grundrechte eines Einzelnen zu erwarten sind.
Auf der anderen Seite sorgen Erlasse dafür, dass man in vielen Fragen flexibel reagieren kann. Erlasse kann man in relativ kurzen Verfahren ändern. Gesetzesänderungen sind längere parlamentarische Prozesse. Zurzeit gibt es in Nordrhein-Westfalen eine Debatte darüber, ob man mittelfristig mehr gesetzliche Regelungen für den Ganztag bräuchte, beispielsweise auch im Hinblick auf die Verankerung von bestimmten noch näher zu definierenden qualitativen Standards. Gleichzeitig muss man zur Kenntnis nehmen, dass gerade der Verzicht auf Gesetzesvorbehalte zu Beginn der 2000er Jahre den bekannten Aufschwung des Ganztags förderte. Solche Gesetzesvorbehalte betrafen im Falle des Hortes beispielsweise die Gruppengrößen, den Personalschlüssel, die Ausbildungsvoraussetzungen des Personals, aber auch räumliche und zeitliche Vorgaben.
Die nordrhein-westfälischen Erlasse zum Ganztag zeichneten bisher nach, wann welches Ganztagsprogramm eingeführt worden ist. Für jede Form des Ganztags beziehungsweise der Betreuung von Schulkindern gab es im Grunde einen eigenen Erlass. Es gab auch viele Doppelungen sowie viele Regelungen, die eigentlich keine Regelungen waren, sondern in erster Linie politische Hinweise zur Wertschätzung des Engagements verschiedener Träger im Ganztag. Mancher Inhalt wurde nur deshalb erwähnt, um die Frage zu vermeiden, ob die damit verbundene Aktivität verboten sei, weil sie im Erlass eben nicht ausdrücklich erwähnt sei.
Das nordrhein-westfälische Schulministerium hat zum 23.12.2010 fünf Erlasse in einem Grundlagenerlass zusammengefasst. Auch dieser Erlass enthält noch manche politischen, fachlichen oder wertschätzenden Hinweise, für die es eigentlich keiner rechtlichen Regelung bedürfte. Er enthält nicht nur konkrete Regelungen, sondern auch Verweise auf die wesentlichen gesetzlichen Grundlagen im Schul- und Jugendhilferecht, auf die man ebenso hätte verzichten können, weil sie in den Gesetzen nachzulesen sind. Die Aufnahme dieser Verweise in den Erlass dient jedoch der Transparenz. Sie macht die Grundlagen des Ganztags in Schul- und Jugendhilferecht sichtbar.
Neben dem Grundlagenerlass gibt es nach wie vor drei Förderrichtlinien, die Finanzströme regeln, in der OGS, in den Betreuungsangeboten der Primarschulen, die keine OGS sind, sowie in allen Schulen der Sekundarstufe I. Hier bleibt es bei drei Förderrichtlinien. Eine Zusammenfassung hätte hier nicht für mehr Transparenz, sondern eher für Verwirrung gesorgt. Allein das dann erforderliche Antragsformular hätte viele Beteiligte überfordert. Man könnte natürlich die Finanzierung des Ganztags durchaus gesetzlich regeln und damit auch hier manches vereinfachen. Ob dies mittelfristig geschieht, bleibt abzuwarten.
Schließlich gelten im Ganztag die oben bereits angesprochenenen arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen Vorgaben, das Versicherungsrecht und vieles mehr, das sich in einem einzelnen Erlass nicht abbilden lässt, gleichwohl aber beachtet werden muss, um den Ganztagsbetrieb möglichst reibungslos und unbürokratisch, sprich: anwenderfreundlich zu gestalten. Diese Regelungen lassen sich in einem Erlass kaum zusammenfassen, sodass man für Transparenz in diesen Rechtsbereichen auf anderem Weg sorgen muss.